"Hey, bist du mir böse, wenn ich gleich gehe?“, frage ich in ihr Ohr und versuche mich so weit wie möglich von der feiernden Gesellschaft wegzudrehen in der wir stehen, die sie genießt und in der ich mich heute Abend über und unwohl fühle.
Eigentlich hatte ich absagen wollen, mich dann aber doch mit dem Gedanken vom Sofa gerissen, dass ein bisschen Ablenkung meinem damaligen Liebeskummer gut tun würde.
Ein paar Gläser Wein, ein paar gute Gespräche, vielleicht ein bisschen tanzen – stattdessen war meine Stimmung bei der Masse an Leuten, den vielen oberflächlichen Gästen der Veranstaltung und dem Maß an schaler Selbstdarstellung gekippt.
Ich wollte eine heiße Dusche, vielleicht noch ein paar Oreos, ein Glas Milch und mein Bett.
Meine Freundin wollte den Abend weiter genießen. Das war ok. Ich gönnte ihr den Spaß und wusste, wie sehr sie diese Partys genoss.
Also versicherte ich ihr, dass ich ok, aber einfach nicht bei guter Laune war, gab ihr noch einen Kuss auf die Wange und verschwand, bevor ich mich noch hätte von jemandem verabschieden müssen..
„Hey, gehts Lina gut? Will sie echt schon los?“, höre ich eine gute Bekannte noch fragen, als ich ein paar Schritte weiter auf meine Jacke warten muss – länger als gedacht. „Ja, aber sie ist mies drauf und will nach Hause“ „Ich hab sie vorhin kurz gesprochen. Ist es immer noch wegen ..“
„Komm das ist Lina.“, höre ich meine Freundin sie ungeduldig unterbrechen. „Sie ist wie ein leeres Glas, das ständig darauf wartet mit Zuneigung gefüllt zu werden. Gib ihr ein bisschen davon, entzieh es ihr wieder und die ach so starke Singlefrau fällt unsicher in sich zusammen, bis sie nichts mehr ist. Man kann dabei zusehen. Jedes Mal. Ganz egal wer der Typ ist.“
Sie nimmt schmunzelnd einen Schluck aus ihrem Glas und macht eine wegwerfende Handbewegung. „Ich nehme das nicht mehr weiter ernst. Wer weiß was für daddy issues dahinter stecken. Die muss einfach mal klar kommen, anstatt alle und sich selbst mit ihrer Negativität wie so ein schwarzes Loch runterzuziehen..“
Mehr höre ich nicht, denn ich merke, wie ich zu zittern beginne, wie ich kurz davor bin die Szene zu stürmen und mich dabei wie von einer scharfen Kugel getroffen zum Fahrstuhl zurückziehe, runterschlucke, meine Beine nicht mehr fühle, meine Stimme nicht mehr finde, als ich einer Bekannten noch auf dem Weg nach draußen begegne, aufs Taxi warte, bis ich endlich Bremslichter sehe, die Tür dankbar aufziehe, als könnte ich hinter ihr vergessen oder einfach nur ausschließen, was gerade passiert ist.
Ich lasse 20 Minuten heißes Wasser auf mich prasseln, über Schultern und Gesicht laufen, ich wickle mich in dicke Wolle, ziehe mir die Decke über die Schultern und rolle mich darunter zusammen – trotzdem bleibt das Frösteln, das Taubheitsgefühl, die unangenehme Kälte, die in meinem Nacken liegt.
Normalerweise würde ich jetzt meiner besten Freundin schreiben, sie vielleicht sogar anrufen. Aber ich traue mich nicht. Ich schäme mich zu sehr für das, was ich über mich gehört habe. Und ich habe Angst dass sie – das Gleiche denkt. Oder auf den Gedanken gebracht wird.
In diesem Moment, in dieser Nacht, gibt es niemandem, dem ich genug vertrauen könnte, um mich zu öffnen. Denn ich habe gerade erlebt, was passieren kann, wenn du es doch tust.
Ich lasse mich verschlucken. Ich verschwinde für zwei Tage. Ich rede nicht, ich, die, die immer darüber reden will. Und keiner merkts. Und ich fange an zu glauben – jedes Wort.
Dass ich es schwarzes Loch voller negativer Emotionen bin.
Dass ich nur beschwere, herunterziehe – mich und andere.
Dass ich ausgehungert nach Zuneigung bin.
Schach und machtlos, wenn man sie mir entzieht.
Dass es mit jedem Mann nur schlimmer wird.
Dass ich mir selbst nicht gut genug bin.
Dass man mich und meine Gefühle nicht ernst nehmen kann.
Dass ich Nichts bin.
Es ist leicht die Worte eines Fremden abzuschütteln.
Das Urteil irgendeiner trivialen Person.
Aber nicht die gesagte Wahrheit einer engen Vertrauten, von der du weißt, glaubst, noch immer hoffst, dass sie dich nie absichtlich verletzen würde – die in deiner Vorstellung also so überzeugt von dem sein muss, was sie über dich sagte – dass du es schließlich selbst wirst.
Ich habe mich nie wertloser, sinnloser und bedeutungsloser gefühlt.
Und auf einmal genau so allein, wie sie mich dargestellt hatte.
Ich brauchte Zeit, bis ich mir und ihr beweisen wollte, dass sie Unrecht hatte, bis ich schließlich dadurch wieder auf die Beine kam und vor allem brauchte es lange, bis ich die Kraft aufbrachte zu verstehen, dass niemand, nicht einmal eine enge Freundin, definiert wer oder wie ich bin. Es ging schrittweise. Und es ist vielleicht bis heute nicht ok.
Bis heute habe ich meinen Freundinnen nicht von jenem Moment erzählt.
Bis heute denke ich an ihn, wann immer ich eine Schwäche offen eingestehe oder vor Freunden zulasse. Und nicht selten ziehe ich mich dann doch wieder auf halbem Wege zurück. Erkläre mich wieder heraus, nie ganz und ende ambivalent. Das ist der Grund. Zumindest der größte.
Wir haben nie über den eigentlichen Abend geredet, der unsere Freundschaft kaputt gemacht hat, auch wenn sie noch eine Zeit weitergelebt, zeitweise sogar Kraft getankt hatte. Bis heute glauben wir und alle anderen, dass es Missverständnisse waren, die uns auseinander driften ließen.
Sie weiß nicht, wie viel sie in mir kaputt gemacht hat. Vielleicht sogar unbedacht dahingesagt. Was es nur verschlimmert.
Es sind die Menschen, die du am besten kennst, die du am schmerzhaftesten verletzten kannst.
So sehr. dass es ihnen noch Monate später weh tun kann. So sehr, dass sie es vielleicht nie vergessen. Dir nie vergessen. So gerne sie es würden.
Liebe Lina
Es ist gruselig.. aber irgendwie wohlfühlend
Du sprichst mir so unendlich oft aus der „Seele“
Niemals 1:1 aber so unendlich oft passen die Eckdaten deines Textes mit meinem Leben überein
Und diesmal kommentiere ich das erste mal…!
Genau so ging es mir auf der Hochzeit einer guten Freundin!
Haar genau so!!!!!! Und das ist schon fast gruselig!
Und ich bin zu dem Entschluss gekommen, meine Freundin, die damals „kein gutes Wort an meiner Situation“ ließ, hat es nicht im geringsten so gemeint.. aber die Situation war für mich der Beweis das wir uns auseinander gelebt haben!
Nicht mehr die Verbindung haben von der ich dachte sie wäre einzigartig!
Aber egal, ich möchte nicht von mir reden sondern dir danken: für deine unendlich ehrlichen, gefühlvoll, indentifizierenden Worte in jedem deiner Texte
Danke Lina, du hilfst mir unendlich oft mich nicht alleine zu fühlen
<3
Danke ❤
Durch deine Texte fühle ich mich so oft verstanden.
Liebe Lina,
zunächst einmal möchte ich dir ein großes Kompliment für diese wirklich wunderschönen Fotos aussprechen!
Ich finde sie mehr als gelungen.
Mal wieder ein emotionaler Text. Einer, der dich einfängt und selbst die Situation ebenfalls (erneut) durcherleben lässt. Ich finde es toll, wie reflektiert du bist und stark wie du darüber zu schreiben vermagst.
Jeden Sonntag wieder ist es, zwischen der 2-4 Netflixfolge, Tradition bei mir noch einmal kurz auf deinem Blog vorbei zuschauen, ob schon eine neue Kolumne hochgeladen ist.
Danke dafür!
🙂
Wow! Lina, du und deine Kunst, ihr seid soso wertvoll. Darüber sprechen und schreiben, nicht den Deckmantel des Schweigens ausbreiten. Danke für deine Kraft, deine Stärke, deine Worte. Ehrlich. Danke.
richtig, richtig heftig.
ich lese, was sie sagte – und doch kommt nicht die meinung über dich an, sondern was diese person mit sich selbst zu hadern hat.
besessenheit, neid, missgunst…
ich hoffe, dieser grosse stein ist dir jetzt endlich von der seele gefallen!
Ich dachte dasselbe! Wie war das? „What Susie says of Sally says more of Susie that of Sally.“. Allerdings muss das wirklich so unglaublich weh getan haben. Liebe Lina, ich wünsche dir, dass diese Erinnerung irgendwann so weit verblasst, dass sie keinen Einfluss auf dich mehr hat!!
lg
Esra
http://nachgesternistvormorgen.de/
Hallo Lina,
ich kann mich da Lisa nur anschließen.
Du schreibst so oft über Dinge bei denen ich denke „Ja kenne ich.“ „Jaaaa und dieses Gefühl kenn ich auch.“
Ich würde jetzt gerne noch viel viel mehr schreiben, wünschte mir, ich könnte meine vielen Gedanken und Gefühle auch in Worte fassen.
Leider bin ich da nicht gut drin.
Viele Grüße
Uli
ich glaube das hier sind die emotionalsten bilder die ich bisher auf deinem blog gesehen hab!
wobei ich alle deine bilder wundervoll finde – aber diese hier sprechen eine eigene sprache! unbeschreiblich!
Ouch :'(
Das tat richtig weh zu lesen. Wie sehr es wehgetan haben muss, das zu erleben.
Ich musste ehrlich schlucken als ich das gerade gelesen habe. Ich kann so gut nachvollziehen, wie schmerzhaft sich das angefühlt haben muss, in was für einen Schockzustand man regelrecht verfällt, wenn ein geliebter Mensch so etwas über einen sagt.
Ich selbst habe nicht viele Menschen in meinem Leben habe, die mir wirklich wichtig sind und auf deren Meinung ich echten Wert lege. Und genau diese Menschen sind es, die echtes Potenzial haben einen zu verletzen, ansatzweise habe ich so etwas ähnliches auch schon erlebt.
Vielen Dank für diesen Text und liebe Grüße!
https://soulstories-amandalea.blogspot.de
Wow… ich bin wirklich sprachlos! Die Geschichte ist herzzereißend und tut mir wahnsinnig leid!
Nichtsdestotrotz ist deine Sprache der Wahnsinn! Es ist total fesselnd und deine Bilder … *o* !!
Richtig toll Lina! ♥
So ein unglaublich starker Text.
Mir fehlen die Worte.
Danke!
Und die ganze Zeit beim lesen habe ich gehofft, dass es nocheinmal wendet. Dass du etwas falsch verstanden hast und gegen Ende des Blogposts enthüllst wie dumm Missverständnisse sind. Aber das passierte nicht.
Bleib stark. Lass dich von nichts und niemand unterkriegen. Und lass dir Vorallem von nichts und niemandem vorschreiben wie und in welchem Tempo du was zu fühlen hast.
Kopf hoch & Liebe Grüße
Lina, lass dich niemals entmutigen solche Texte zu schreiben, den Menschen aus deinem Herzen in ihr Herz zu sprechen…diese Begabung die du hast Emotionen durch Texte zu transportieren ist so unendlich wertvoll und ich danke dir für deine Offenheit!
Ich habe vor langem für mich beschlossen, dass es nicht mein Recht ist über Menschen zu urteilen, weder über Fremde noch über Freunde oder Bekannte, genau damit sowas nicht passiert…wer bin ich das ich über Situationen und Gefühle anderer urteilen darf, ich will mit meinen Worten niemand verletzen…meine Worte sollen aufbauen, unterstützen, trösten, motivieren…nicht immer gelingt mir das aber ich bin auf einem guten Weg!
Wow, was für ein wundervoller und auch gleichzeitig emotional schmerzhafter Text.
Ich hadere in letzter Zeit des Öfteren mit meinen Freundschaften und frage mich, ob meine Gedanke, Gefühle und Schmerz auch zu bedeutungslos sind, als das Sie offenbart werden sollten. Den wenn man seine Gedanken und Zweifel seinen Freundinnen mitteilt und man dann öfter einfach gar keine Reaktion kommt bzw. die Nachrichten einfach ignoriert werden, frage ich mich, ob ich einfach nichts Wert bin für Sie. Ob ich einfach zu viel bin, zu emotional, zu unbedeutend. Und dann ist es einfach besser sich zu verschließen und vielleicht dann keinen intensiv mehr an sich ran zu lassen. Denn wenn selbst die guten Freundinnen finden, dass man zu over the top mit dem Preisgegeben von Gefühlen, Gedanken und Zweifeln ist, während Sie ja immer kontrolliert sind und keine Schwäche zeigen, dass ist man vielleicht einfach wirklich zu viel man selbst, zu anstrengend und die eigenen Gefühle zu unbedeutenden, da es ja eh immer das Gleiche bei einem ist. Und dabei merken Sie leider wirklich nie, was Sie in einem kaputt machen.
LG Steffi
Dein Text hat mich gerade unglaublich berührt. Es gibt da eine Situation, sie ist ca. 12 Jahre her, aber ich weiss den Wortlaut noch heute ganz genau. Eine Freundin ruft mich an, sie seien auf dem Rummelplatz, ich soll doch auch kommen… Im Hintergrund ertönt die Stimme einer anderen gemeinsamen „Freundin“: „Ach ne, die Katy, auf die hab‘ ich kein Bock!“
Ich hatte dann ganz arg „Kopfweh“ und konnte nicht auf den Rummelplatz zu den anderen.
Das war nur eine Ausrede, dieser Satz hat mich so verletzt, ich habe ihn bis heute nicht vergessen.
Ich bin noch immer sprachlos, wollte aber gerne einen Kommentar hier lassen, deswegen: Danke für diesen Text, den ich viel zu gut nachempfinden kann. <3
Liebe Lina,
ich hatte wirklich Gänsehaut beim Lesen und Tränen in den Augen. Dein Text ist so intim geschrieben, so nah, dass man das Gefühl hat, in die Situation hineingezogen zu werden und jeden einzelnen Moment selbst zu erleben. Es tut mir ganz wahnsinnig Leid, dass dir sowas passiert ist, auch weil ich weiß, wie sich das anfühlt.
Vielen Dank für deine Worte – ich glaube, du kannst anderen ganz viel Kraft damit geben.
Liebe Grüße,
Isabelle
https://gintonictogo.wordpress.com
Ich kommentiere selten, aber das, liebe Lina, war ein großartiger Text! Ich musste gerade richtig schlucken, kann mir das Gefühl gut vorstellen.
Liebe Lina, wow! Wunderbar verpackt, obwohl es so traurig ist. Gerade aus dem engen Freundeskreis sowas hintenrum mitzubekommen, obwohl du noch nicht mal richtig weg warst, finde ich eine harte Nummer. ich bin eine Person, die findet, dass man Menschen eine zweite Chance geben muss. Aber in diesem Fall kann man das Vertrauen nicht mehr aufbauen… wer sich einmal so über dich äußert, wird es immer wieder tun.
Alles Liebe aus Nürnberg, Leni
So ein toll geschriebener Text, liebe Lina! Ich kann dich total verstehen und mitfühlen, wie es dir gegangen sein muss… Das war einfach nicht fair von der sogenannten „Freundin“. Man sollte auf jeden Fall loyal sein, und auch wenn man es ab und zu wirklich gerne machen würde, auf keinen Fall mit anderen über seine Freunde lästern! Das zeugt einfach von einem ganz schwachen Charakter! Ich war auch schon mal in solch einer Situation und inzwischen kann ich sagen, dass ich dadurch nur stärker geworden bin. Danke fürs Teilen!
Alles Liebe,
Laura
Hallo Lina,
jeder deiner Texte bemüht und inspiriert mich sehr. Mach weiter so! Und wie du geschrieben hast definiert dich niemand, nicht einmal deine besten Freunde, sondern immer du selbst.
Liebe Grüße,
Lena
Ich wünsche mir für Dich, dass Du nie vergisst wer Du wirklich bist und Dich diese Worte irgendwann nicht mehr verletzen!
Liebe Grüße
Charlene