"Ich lächle noch, als ich mich von den anderen verabschiede, ich lächle noch, als ich den Koffer an meinen Nachbarn vorbeiziehe, die mich freundlich grüßen, ich trage ihn die 6 Treppen nach oben, ich schließe meine Haustür auf, lasse sie hinter mir ins Schloss fallen, lasse meine Tasche und Jacke fallen, stehe im Flur, in meiner mir vertrauten und doch so fremden Wohnung – und breche in Tränen aus."
Ich weine über alles, was die anderen nicht verstehen.
Ich weine über das Alleinsein und bin gleichzeitig erlöst und erleichtert, dass ich es sein kann.
Ich weine darüber, dass ich wieder angekommen bin und darüber, wie sehr ich es nicht bin.
Meine Oma sagt immer, sie mag keine Menschen, die im Türrahmen stehen bleiben. Von denen wisse man nie so genau, ob sie kommen oder gingen, die hingen immer irgendwie in der Luft.
Und genau so fühle ich mich. Nicht leicht, nicht losgelöst, sondern zerrissen und wie ein paar Fetzen von mir selbst, die nicht bereit sind zu bleiben – aber auch nicht gehen können.
Ich steuerte in der letzten Woche auf ein persönliches Tief hin. Eins, das dich lähmt, das dir den Magen und den Hals zuschnürt, das sich so müde und erschöpft, klein und unbeweglich werden lässt. Eins, in dem du nur allein sein willst, aber es die Einsamkeit ist, die dich eigentlich auffrisst. Eins, das Außenstehende nicht verstehen oder nachvollziehen können, das nicht mit einem Glas Weißwein und ein paar aufmunternden Worten wieder verwischt. Eins, das alle Fragen in dir hochbringt, die du in letzter Zeit nicht beantworten konntest, eins, das all deine Empfindungen und Perspektiven durcheinander wirft und verzerrt – eins, durch das du ganz allein durch musst.
Die Auslöser für solche Tiefpunkte?
Versagensängste, Trennungen, ein Rückschlag im Job, ein Streit, der unter die Haut ging, ein persönlicher Verlust, emotionaler Druck, dem wir nicht mehr Stand halten, Sehnsucht oder Perspektivlosigkeit.
Es gibt unzählige Dinge, die für uns, ganz einzeln und individuell, bleischwer wiegen können, die uns das Herz brechen, jede Freude oder die Luft nehmen.
Aber wisst ihr was? Wir sind stärker als wir glauben. Ein Herz hält so viel mehr aus, als der Kopf sich im ersten Moment vorstellen kann. Und es wird leistungsstärker, es wächst mit uns und unserer Persönlichkeit, es schlägt nur noch sicherer, wenn es ein Tief überwindet.
1
EMBRACE
Wenn es darum geht ein Tief zu überwinden, ist der richtige Zeitpunkt entscheidend, genau so wie Geduld und ein Moment der Ruhe. Es bringt nichts einfach in irgendeine Richtung zu rennen, nur um Bewegung und Veränderung zu spüren, meistens führen überstürzte Entscheidungen nur dazu, dass wir uns noch tiefer in unseren Tunnel treiben. Und motivierte Verdrängung? Sich die Welt dann einfach so malen, wie sie gar nicht ist?
"Love it, change it, or just leave it" - leichtgemachte Zitate wie diese? Sind eine oberflächliche Form wegzulaufen und schließlich außer Atem von der eigenen Feigheit doch wieder eingeholt zu werden.
Aushalten, anhalten – und zulassen. Das ist der erste Schritt.
Den Schmerz, die Angst, die Sehnsucht, den Stillstand. Es gibt jetzt nichts zwingend zu tun, es ist ok sich fallen zu lassen, es ist ok sich einzuigeln, die Vorhänge zuzuziehen und die Einsamkeit voll wirken zu lassen, sie vielleicht einfach zu umarmen, für einen Tag lang nur vom Lieferdienst und Netflix zu leben, zu schlafen und keinen einzigen Plan zu machen. Ich erlaube mir traurig zu sein. Ich erlaube mir matt und niedergeschlagen zu sein. Ich zwinge mich nicht zur Verdrängung.
Aber: ich setze mir ein Limit. Einen Tag lang darf meine Abwesenheit dauern. Nicht länger, nicht unbeschränkt, nicht so, dass ich mich darin verlieren würde.
2
STAND UP
Zeit – wartet auf niemanden und heilt nicht jede, aber die ersten Wunden. Und jetzt ist es Zeit. Zeit aufzustehen, Zeit erwachsen zu sein, Zeit die Knie und den Rücken durchzustrecken, Zeit loszulassen. Zumindest ein bisschen. Zumindest für den Moment. Zumindest die Einsamkeit.
Dabei ist es nicht wichtig, wie groß die Schritte sind, es ist nur wichtig, dass wir überhaupt welche machen. Wenn wir festhängen, verfallen wir nicht selten in eine Schockstarre oder sogar eine depressive Lethargie, die dazu führt, dass wir allein bei dem Gedanken an das, was uns so runterzieht oder festhält, wieder hinwerfen, uns und unsere Pläne. Der Punkt, der am schwersten fällt und den wir überwinden müssen: anzufangen.
Aufzustehen, das Bett zu verlassen, duschen zu gehen, die Haare zu kämmen, uns dem Alltag zu stellen, wieder teilzunehmen und uns nicht mehr vor dem zu verkriechen, was sich gerade so bleischwer anfühlt. Denn: es wird nicht leichter, solange wir es ignorieren. Es wird nicht von irgendjemandem weggeräumt. Es verschwindet nicht einfach.
Wir werden nicht einfach so gerettet – und das muss auch nicht sein. Nicht, wenn wir anfangen, einfach machen, uns wieder in Bewegung setzen. Egal, ob wir das Haus verlassen, zum Training gehen, etwas für uns selbst tun, uns für ein Mittagessen mit Freunden oder uns selbst aufraffen, ein paar Pflanzen umtopfen, endlich die Wohnung umstellen oder doch schon bereit sind die eigentlichen Probleme anzupacken. Hauptsache wir fangen wieder an.
Also packe ich meinen Koffer aus, wasche Wäsche, stehe mit einem Kaffee neben der Maschine, schaue ihr dabei zu, wie sie Kapstadt aus meinen Sachen spült – und mache einfach weiter.
3
LET GO
Wie oft sagst du dir selbst, dass du etwas nicht schaffst und tust es dann trotzdem?
Wie oft hattest du schon das Gefühl, du würdest etwas niemals hinter dir lassen und dann war es doch auf einmal – verblasst und gar nicht mehr wichtig.
Wie oft hast du dich selbst schon unterschätzt?
Die Wahrheit ist: du kannst so ziemlich alles schaffen, wenn du wieder willst. Also fang an zu wollen.
Fang an Lösungen zu finden, mach dir die Arbeit, räum Stück für Stück aus dem Weg, was dir vor oder auf die Füße gefallen ist, fokussier dich auf das, was du willst und nicht auf das, was du gerade so zu schaffen glaubst, sei dabei entweder fokussiert, wenn es dich voran bringt – oder bereit wieder nach links und rechts zu sehen, manchmal passieren nämlich neben dir die besten Dinge, die du bloß gar nicht bemerkt hast.
Es gibt Probleme, die löst du vielleicht nicht gleich, die kannst du nicht einfach mit Motivation und ein bisschen Mut abhaken, aber du kannst an ihnen vorbei trotzdem weitermachen, du kannst sie akzeptieren lernen und trotzdem dein Bestes geben – bis sie klein genug sind, dass du sie schließlich angehen kannst.
Einsamkeit, das Gefühl allein zu sein, startet meistens in unserem Kopf – und zerfällt in dem Moment, in dem wir andere Menschen wieder um uns zulassen. Ihnen zugestehen, dass sie uns im ersten Moment nicht verstehen, aber wohlmöglich, wenn wir uns noch einmal erklären. Empathie ist kein Hexenwerk. Und sie muss übrigens nicht immer in Form eines langen Gesprächs auftreten. Manchmal kommt sie auch in Form von einem gemeinsamen Vormittag, den man ohne große Worte über den eigentlichen Tiefpunkt verbringt, einem kurzen Kaffee mit einem Bekannten oder einer einfachen SMS. Annehmen können – müssen wir selbst.
Liebe Lina,
ich liebe Deine Art zu schreiben und so oft kann ich mich in Gefühlen wieder finden. Ein ganz toller Text und auch einfach sehr ehrlich, danke dass Du uns so an Deiner Gefühlswelt teil haben lässt.
LG Sarina
Ach Lina, wunderbar beschrieben. Woher hat eine so junge Frau schon so viel Weisheit;). Ich habe dazu sehr viel länger gebraucht.
LG Renate
So toll geschrieben!
Hoffe Dir geht es wieder besser und kommst weiter bei Dir und in Hamburg an 🙂
(und ich sollte aufhören Deine Texte vor der Arbeit zu lesen, denn sie regen immer zum nachdenken an – und das ist dann doch Ablenkung 😉 )
So toll geschrieben!
Hoffe Dir geht es wieder besser und kommst weiter bei Dir und in Hamburg an 🙂
(und ich sollte aufhören Deine Texte vor der Arbeit zu lesen, denn sie regen immer zum nachdenken an – und das ist dann doch Ablenkung 😉 )
Ich habe in letzter Zeit auch so eine kleine Tiefphase, und deine Worte helfen wirklich sehr, mit der Sache umzugehen! 🙂
Liebe Lina. Ich verstehe Dich sehr gut. Ich habe mich vor 10 Jahren ins Tessin verliebt. Habe mich dort auch Zuhause gefühlt und immer den ganzen Weg zurück nach Deutschland im Zug geweint. Jetzt lebe ich schon 9 Jahre in der Schweiz, leider nicht mehr im Tessin. Es hat sich alles verändert. Schau Dir das genau an und nimm Dich ernst und auch Zeit. Ich liebe Deine Texte und Deine exklusive Seite.
Tausend Dank für deine offenen und ehrlichen Worte, in denen so viel Wahres steckt und in denen ich mich so gut wiederfinden kann. Auch wenn ich bisher mein Herz noch nicht an einen bestimmten Ort auf der Welt verloren habe (Capetown wäre aber, nach all deinen Erzählungen, Bildern und Co. ein heißer Anwärter darauf!), so kommen mir doch gerade diese Worte von dir so bekannt vor:
„Der Punkt, der am schwersten fällt und den wir überwinden müssen: anzufangen. Aufzustehen, das Bett zu verlassen, duschen zu gehen, die Haare zu kämmen, uns dem Alltag zu stellen, wieder teilzunehmen und uns nicht mehr vor dem zu verkriechen, was sich gerade so bleischwer anfühlt. Denn: es wird nicht leichter, solange wir es ignorieren. Es wird nicht von irgendjemandem weggeräumt. Es verschwindet nicht einfach.“
Auch wenn es nicht üblich ist, dass sich Leserinnen in ihren Kommentaren einfach mal so nackig machen: Wer einige Jahre mit Depressionen und tiefschwarzen Gewitterwolken am eigenen Horizont zu kämpfen hatte, der findet sich in der von dir beschriebenen Situation auch wieder. Zumindest tue ich das. Und ich möchte dir ganz herzlich für die Kraft und Motivation danken, die ich aus diesem Beitrag schöpfen konnte. Schön, dass du wieder da bist. <3
Ein wunderbarer Text, der so toll aufzeigt, dass diese Tiefpunkte zum Einen ganz normal sind und zum Anderen alles andere als unüberwindbar. Sehr schön geschrieben und eine tolle Message!
Liebe Grüße <3
Solch einen Artikel habe ich gebraucht. Ich war für 3 Monate in Süd-Ost-Asien unterwegs gewesen und bin seit dem irgendwie rastlos und hänge in der Schwebe. Vor allem, weil zu viel passiert ist und wenn dann noch dein vertrautes Umfeld anfängt dich zu kritisieren und über dich für deine Freiheiten verurteilen (seien es Freunde oder deine eigenen Eltern), dann will man am liebsten wieder zurück. Weil man sich nicht mehr dazugehörig fühlt.
Danke dir für diesen Beitrag, der hat mich zum lächeln gebracht.
Das schaffst du Lina! Du bist eine starke Frau 🙂
Liebe Grüße,
Mai xox
Hallo Lina,
Danke für deine Worte. Ich habe diese Woche ein schreckliches Tief und dein Text ist mir gerade sehr nah gegangen. Und jetzt geht’s los mit dem Aufstehen und Anfangen!
Liebe Lina,
ich kenne das Gefühl zu gut, was mich mal ein bisschen und mal ganz stark überkommt, meistens wenn ich von Reisen nach Hause komme, manchmal aber auch zu Hause, wenn ich mich so sehr ans Meer sehne. Ich hoffe, du kannst dein Tief überwinden oder zumindest gut damit zurecht kommen, was du laut dem wunderbaren Text gerade machst 🙂 Du schaffst es jedes Mal, mich mit deinen Texten zu berühren und mitzureißen, danke dafür!
Wie oft hast du dich schon selbst unterschätzt?
Die Wahrheit ist: du kannst so ziemlich alles schaffen, wenn du wieder willst. Also fang an zu wollen.
Das ist so wahr! Ich bin da voll bei dir, und es ist schön, dass du es so offen geschrieben hast, so dass man es auf jedwede Situation beziehen kann.
In meinem Fall beziehe ich das auf die herrlich vertrackten Verfehlungen mit dem anderen Geschlecht, von denen ich mich zu lösen versuche.
Es dauert und dauert und dauert.. und dann ist man frei. (Hoffentlich. bald.)
Also stay strong, girl! You’re not alone!
Liebe Lina,
ich lese deinen Blog schon sehr lange;bisher immer nur still und ohne mich zu Wort zu melden.
Heute allerdings,da hast du mich mit deinem Text so sehr berührt, mir aus der Seele gesprochen und mich motiviert,so dass ich eben dieses eine Mal „laut“ werden muss , um mich bei dir für diesen tollen Post zu bedanken!
Sarah
Vor allem die Beschreibung des Zustandes am Anfang hat mich berührt. Genau so fühlt es sich an !
Du triffst genau die richtigen Worte, um dieses Gefühl zu beschreiben. Und sie motivieren, genau das zu tun: aufzustehen und weiterzumachen. Danke für den tollen Beitrag! Ich werde ihn mir zu Herzen nehmen, wenn ich mal wieder in so einer Situation lande.
In solchen Phasen hilft es mir echt einfach zuzugeben, dass es momentan bei mir gerade nicht läuft und es mir nicht gut geht. Oftmal traut man sich nicht, dies so offen zu kommunizieren, da es von gewissen Personen als Schwäche interpretiert wird… Deine Beschreibungen ein solches Tief zu überwinden finde ich wirklich sehr passend – vor allem das Denken in Lösungen, das akzeptieren Lernen.
Toll geschrieben!
Liebe Grüsse, Sonja
http://www.littlewhitepages.wordpress.com
Ein „Danke, Lina“, genügt oder?!
Liebe Lina,
Ein wirklich sehr schöner Beitrag! Und so berührend…
Mit diesem Beitrag motivierst du mich sehr und bringst mich dazu auch wieder mit mehr Elan nach vorne zu gehen. Danke dafür!
Liebe Grüße und weiter so!
Maike