„Hör halt auf deinen Bauch.“ „Mach das, was dein Bauch dir sagt...“ „Bauchgefühl ist manchmal das Wichtigste!“
Klingt nach Phrasen? Oder doch der Wahrheit? Jeder kennt sie, die Leichtigkeit in der Körpermitte, wenn wir etwas Positives erleben und dieses fiese Ziehen im Magen, dass negative Erfahrungen ankündigt oder nur noch mehr unterstreicht.
Die AOK hat mich gefragt, wie ich es erlernt habe, mehr auf mein Bauchgefühl zu hören und es in Einklang mit meinem Job und meiner Intuition zu bringen ...
BAUCHGEFÜHL – ZWISCHEN VERNUNFT, DISTANZ UND FLUCHT
Sicher, am Anfang steht die Vernunft, unser Verstand, der Kopf und seine Erfahrungswerte, er sortiert, das was wir wissen, bestätigt uns noch einmal was wir können und weiß auch meistens was wir wollen, wenn wir ihm den Raum dafür geben. Aber was, wenn wir uns im Weg stehen? Was, wenn der verstand vor einem unentschieden steht? Was ist mit den Empfindungen und Faktoren, die wir rational nicht erklären können und die trotzdem Einfluss auf unser Wohlbefinden nehmen
Der Bauch und sein Gefühl stehen für Instinkt, für Vertrauen und Entscheidungshilfe.. . Aber was wenn er aus der Balance geworden ist? Was wenn man nicht mehr genau weiß, ob man überhaupt noch auf ihn hören kann – oder was er sagen will?
Ich arbeite selbstständig, bin mein eigener Chef aber auch mein eigenes Tempo, Risiko, manchmal Hindernis. Ich muss mir über meine Kräfte, meine Stärken und Schwächen im Klaren sein, muss wissen, was ich schaffen kann und wo meine Grenzen sind und wann ich sie erreicht habe. Die Sache ist nur die: das klappt nicht einfach so, zumindest nicht bei mir. Für mich ist es ein stetiger Prozess, ein Lernen mit mir selbst, ein ständiger Wechsel zwischen Leidenschaft und Euphorie für meinen Job und negativem Stress, ausgelöst durch Zeitmangel und einem zu viel in Kombination mit zu wenig.
Nach Myers Briggs Persönlichkeitstypen bin ich ein ENFJ, ein Protagonist, jemand, der andere und sich selbst mitreißt, der nur einen Funken benötigt um für etwas im Flammen aufzugehen. Das ist eine meiner größten Stärken – und manchmal auch eine ziemliche Schwäche.
Auch wenn ich es mit der Zeit und meinem dritten Jahr in der Selbstständigkeit langsam besser auf die Reihe bekomme, dieses Problem mit der Balance zwischen wollen & können, glänzen & scheitern, Ruhemoment & voller Kraft , das habe ich schon seit der Schulzeit. Ich stürze mich gern kopfüber in Projekte, gehe in ihnen auf, vergesse dabei aber, welche anderen, unkreativen oder alltäglichen Pflichten ich um mich herum noch hätte. Meistens solange, bis die normalen Aufgaben zu tiefroten Deadlines werden, die mich dann belasten, mir die Kraft rauben und mich in starken Stress verfallen lassen.
Was ich dann nicht kann: loslassen, abgeben, einsehen und es einfach beim nächsten Mal besser machen. In kurz: auf meinen Bauch hören, der genau weiß, wann ich eigentlich mal eine Pause machen müsste. Nur gerade diese Pause, dieser Schritt zurück vom großen Ganzen, der fällt mir sehr schwer.
Ich will mich, wenn ich stolpere oder dabei bin in eine Sackgasse zu laufen, erst recht beweisen, es noch herumreißen, schaffen, nicht versagen, auf keinen Fall aufgeben. Und irgendwo in diesem Strudel gerate ich immer mal wieder aus der Balance, vergesse auf mich zu achten, meinem Bauchgefühl zu folgen, das mir eigentlich längst sagt, dass ich genug habe, mich nicht mehr gut fühle, weder glücklich, noch wirklich leistungsfähig oder zufrieden bin.
In der Vergangenheit habe ich meinen Instinkt oft ignoriert, habe so lange weitergemacht und mich immer tiefer in den Tunnel manövriert, bis ich mit dem Rücken zur Wand stand und nur noch abbrechen, aber bestimmt nicht mehr gewinnen konnte. Noch heute passiert mir das immer wieder, ich ignoriere mein Bauchgefühl, halse mir mehr auf, als ich ganz realistisch schaffen kann und möchte dann irgendwann nur noch fliehen, weil ich keinen Weg mehr sehe, meine Aufgaben zu erledigen oder meine Prüfungen zu bestehen.
Und das ist etwas an mir, das ich nicht mag. Ich mag Sprunghaftigkeit eigentlich an niemandem. Ich will nicht zwischen „Superwoman“ und „Loser“ strampeln, ich will in der Mitte, fest und mit beiden Beinen stehen, stolz auf mich sein können, mich nicht überfordern, aber mir auch nichts vormachen. Ich möchte mehr auf meinen Bauch hören lernen, möchte nicht mehr hinschmeißen, wenn es schief gegangen ist, sondern schon vorher einlenken, mir selbst zuhören und mir so lieber Perspektiven, statt fixe Ideen und Sackgassen schaffen.Ich muss den strategischen Rückzug erlernen, statt mich immer wieder mit müden Kräften gegen die Überzahl zu wehren, bis keiner mehr steht, bis zum Beispiel meine Gesundheit aufgibt oder der Kopf nicht mal mehr denken kann.
Ich habe es schon öfter mal geschrieben: jeder von uns muss lernen, dass ein übervoller Terminkalender kein Zeichen von Erfolg ist, dass ständige Überarbeitung nicht bedeutet, dass man etwas besonders gut kann, eher, dass man noch viel zu lernen hat, dass jemand, der immer wieder Termine verschieben oder absagen muss, nicht begehrt, sondern unorganisiert und unverlässlich wirkt und selbst 70% fabelhafte Prozent einer Aufgabe noch immer keine soliden 100% sind.
Das ist keine leichte Lektion und ich habe das Gefühl, dass man sie immer mal wieder auffrischen und sich neu bewusst machen muss. Weitsichtig „Nein“, zu Projekten sangen, statt sie theoretisch in einen viel zu engen Zeitplan zu packen und darauf zu vertrauen, dass die eigene Zukunftsversion es schon packen wird zum Beispiel. In den letzten Wochen meldete sich mein Bauchgefühl wieder verstärkt. ‚Du hast Mist gebaut Lina. Du hast dir zu viel aufgehalst Lina. So wie du es jetzt angehst kannst du es unmöglich packen, du bist müde, nicht mehr leistungsfähig, du brauchst eine Pause.
Ich wurde wütend auf mich, ignorierte die Einsicht meines Instinkts und achte weiter, obwohl ich immer unzufriedener mit dem wurde, das ich ablieferte und gar keinen Blick mehr für das große Ganze im Job und auch in meinen Artikeln oder Fotostrecken fand. Je mehr Stress aufkam, desto unbedingter wollte ich ihm und meinen Ansprüchen gerecht werden – ich hatte nicht das Gefühl mich mit einer „Pause belohnen zu dürfen“, so lange meine Aufgaben nicht erledigt waren .
Und dann? Dann kam der Moment, in dem ich einen komplett getippten Artikel abgeben wollte, gehetzt und übermüdet den Laptop zuklappte, bevor die 2000 Worte abgesendet waren, als ich ihn wieder öffnete, war die Internetverbindung futsch, nur ein #404 auf dem Bildschirm zu lesen und alles weg. In meiner Eile und meinem Tunnel hatte ich vergessen zwischenzuspeichern – und brach in Tränen aus. Deadline verpasst, Arbeit umsonst, drohenden Ärger im Nacken. Und da war wieder mein Bauch.
„Es geht nicht mehr. Du musst jetzt Urlaub machen, mal eine Pause, Kraft tanken. Vertrau mir.“
Es fiel mir so unheimlich schwer. Unheimlich schwer meine Papiere und Briefe unsortiert und den Artikel, als auch andere To Do’s unerledigt einfach loszulassen, es später zu machen, den Kopf auszuschalten und auf mein Bauchgefühl zu hören, das mir Ruhe und Entspannung, vor allem aber ein bisschen mehr Leichtigkeit verordnete. Aber dann machte ich es einfach, sprang über meinen Schatten und zwang mich selbst, wirklich etwas für mich zu tun. Nicht, um meine Probleme und Aufgaben zurückzulassen, nicht um einfach abzuhauen oder irgendwas hinzuschmeißen, sondern um dann, mit 12 Tagen Abstand, wiederzukommen und es neu anzugehen, besser anzugehen und dieses Mal richtig zu machen.
Ich bin jetzt zwei Tage zurück. Und ganz ehrlich? Das Chaos ist gar nicht mehr da. Nicht, weil es jemand aufgeräumt hätte, sondern weil es, mit ein bisschen Distanz betrachtet, so viel kleiner und überschaubarer aussieht, als noch vor 14 Tagen, als es um mich schwirrte.
ich arbeite ab, Stück für Stück, schaffe mir Räume, mit motivierter, klarer, leistungsfähiger – und ich habe gerade wieder Spaß....
BILDER – LENA SCHERER
AOK ON – ÜBER BAUCHGEFÜHLE
In Zusammenarbeit mit der AOK erzähle ich euch in dieser Kolumne von der Wichtigkeit der richtigen Distanz, der Balance zwischen Kopf- und Bauch und der Notwendigkeit von echten, richtigen Pausen.
Die Jugendseite der Gesundheitskasse richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene in allen Lebensphasen. Egal ob Schüler, Auszubildende, Studenten oder schon Berufseinsteiger – sie alle beschäftigen und interessieren alltagsbegleitende Themen wie Karriere und Job, Musik und Sport, Freizeit und Urlaub, aber auch Partnerschaft und Sexualität. AOK-on bietet mit seinem Mitgliedermagazin on, der Webseite aok-on.de sowie dem Facebook Kanal facebook.de/aokon diesen Menschen in ihrer Orientierungsphase eine Plattform, auf der sie ihren Wissensdurst stillen, sich mit Gleichgesinnten austauschen können und Tipps zu Fragen rund um die Gesundheit und zur AOK finden.
Janina Uhse ist eines der Testimonials und hat eine ähnliche Geschichte wie ich erlebt – und auch gelernt mehr auf ihren Bauch zu hören...
*in freundlicher Zusammenarbeit mit der AOK
Sehr schöner Text! Ich habe von diesem Test schon mal gelesen und ihn (bis vorhin) nie selbst gemacht und das Ergebnis (ENTJ-Anführer) fand ich recht überraschend, weil ich mich spontan als alles bezeichnen würde, aber nicht als den nächsten (female) Steve Jobs 😀 Aber was da drin steht, hat schon so seine Berechtigung – und ist auch nicht alles positiv.
Ich finde auch, gerade zwischen Teenager-Alter und 20-something ist es total wichtig, sich immer daran zu erinnern, Pausen zu machen, auch wenn das außer einem selbst scheinbar niemand macht und das auch total uncool ist, während alle anderen super-busy sind. Stimmt erstens aber nicht und zweitens darf man sich auch da nicht vergleichen, weil man eh immer nur sagen kann, wie es bei einem selbst aussieht und die Folgen von dieser dauerhaften go-go-go-Mentalität schwerer wiegen als ein verpasster Anruf oder die Aufschiebung einer Arbeit.
Grüße, Michelle
Huhu hier schreibt ein INFP, naja zumindest kam das mal bei so einem 15min Online-Test heraus. Anyway, ich wiederhole mich hier irgendwie staendig, aber dein Schreibstil ist echt toll, deine teilweise laengeren Saetze schaffen es diese gewisse Schwingung zu halten. Zum Thema Bauchgefuehl vs. Dinge erreichen: Da weiss ich auch nicht wirklich, ob es menschlich jemals machbar sein wird in absoluter Balance zu stehen? Ich schau mir immer meine Grosseltern an & bewunder ihre Gelassenheit. Muessen wir durch unser langes Leben ziehen, um gelassen zu werden? Vielleicht. Auf jeden Fall finde ich es super, das die AOK als Gesundheitseinrichtung den Gefuehlsaspekt des Menschseins unterstuetzt….
Cheers, Finja | http://www.effcaa.com
Ich bin auch selbstständig, mittlerweile auch im 3. Jahr und kenne das nur zu gut. Wenn es Phasen gibt, in denen ich mir mal wieder zu viel aufgeladen habe, dazu noch 2-3 spontane, wichtige Projekte reinkommen, die ich eigentlich nicht ablehnen kann, habe ich immer mal wieder diese „Schockphasen“. Das sind Momente, in denen ich für ein paar Minuten, manchmal aber auch Stunden, einfach nicht arbeiten kann. Es ist alles zu viel, und ich muss mich wieder fangen. Dann wird abgearbeitet, und am Ende hat es dann doch zeitlich immer irgendwie hingehauen. Wie man aus diesen Kampfphasen am Ende herausgeht und was man sich selbst damit manchmal antut, ist dann natürlich nicht auf der Check-Liste abgehakt und fühlt sich gut an.
Ich gebe dir absolut recht, man muss wieder mehr auf sein Bauchgefühl hören. Eigentlich hat man ja genug Erfahrung gesammelt und weiß, was und wie viel man sich selbst zumuten sollte. Das Ablehnen nicht als Schwäche, sondern als Stärke sehen. Da bin ich gerade dran und das ist wohl das wichtigste, was ich in meiner Selbstständigkeit lernen muss.